Das Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (MUK) verzeichnet jene Lehrende, die in den Jahren 1938, dem sogenannten „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich, bis 1945, das Ende des Zweiten Weltkriegs, Opfer nationalsozialistischer Verfolgung wurden. In dieser Zeitperiode, 1938—1945, fungierte die „Hauptanstalt der Musikschulen der Stadt Wien“ als offizielle Institution der Musikausbildung in der Gaustadt Wien. Ende August 1945 wurde die bereits am 2. Mai 1945 erfolgte Wiedereröffnung der ehemaligen „Hauptanstalt der Musikschulen der Stadt Wien“ unter den Namen „Konservatorium der Stadt Wien“ bekannt gemacht und dessen neuer Direktor, a.o. Univ- Prof. Dr. Wilhelm Fischer (1886—1962), als NS-Opfer vorgestellt. Die Geschichte der Lehranstalt während der NS-Zeit, die Umstände ihrer Gründung und ihrer Nachwirkungen wurden dabei nicht weiter thematisiert.
Im September 1945 wurde am „Konservatorium der Stadt Wien“, der Vorgängerinstitution der heutigen MUK (Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien), der Lehrbetrieb wieder aufgenommen und erst 75 Jahre später - 2021 - wird die gründliche Beforschung der Geschichte dieses Hauses in Form eines Gedenkbuches der Öffentlichkeit präsentiert. In diesem Zusammenhang entstand ebenso folgende Publikation: Susana Zapke, Oliver Rathkolb, Katrin Raminger, Julia Teresa Friehs und Michael Wladika (Hg.): Die Musikschule der Stadt Wien im Nationalsozialismus. Eine "ideologische Lehr- und Lerngemeinschaft" (Wien: Hollitzer Verlag 2020).
Gründungsgeschichte
Die Gründung der Hauptanstalt der Musikschulen der Gaustadt Wien im Jahr 1938 ging auf Kosten dreier privater Konservatoriumsvereine — dem Neue Wiener Konservatorium, dem Wiener Volkskonservatorium und dem Konservatorium für volkstümliche Musikpflege —, die aufgelöst wurden und deren Vermögen in die Musikschule der Stadt Wien überführt wurde. Zahlreiche Lehrende, vor allem aus dem Neuen Wiener Konservatorium, sowie SchülerInnen wurden Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung, ins Exil getrieben oder ermordet. Auf den Trümmern dieser Vorgängerinstitutionen, von denen allerdings das Wiener Volkskonservatorium bereits vor dem „Anschluss“ 1938 eine Reihe aktiver illegaler NSDAP-Mitglieder in seinem Lehrkörper hatte, fußte jene neue Einrichtung unter der Leitung von Othmar Steinbauer — ebenfalls NSDAP Mitglied, die zur „Erhebung der Volksgemeinschaft“ als Institution des „gesamtes Volkes“ proklamiert wurde.
Die "Musikschule der Stadt Wien" war ein Konvolut aus Musikschule zur Ausbildung einer künstlerischen Elite und aus Zweigschulen zur Musikerziehung des Volkes im Rahmen der NS-Organisationen Hitler-Jugend (HJ) und Kraft durch Freude (KdF). Etwa 500 Kinder und Jugendliche, die sich in den Musikschulen für Jugend und Volk als besonders begabt erwiesen hatten, wurden 1938 in den Räumen der Johannesgasse 4a als SchülerInnen aufgenommen. Ihre politische Indoktrination begann mit der musischen Erziehung, die als Mittel einer ideologischen Volkserziehung instrumentalisiert wurde, denn wie es der leitende Ideologe der Musikerziehung im Nationalsozialismus, Ernst Krieck (1882—1947), definierte, sollte der „organische Prozess der Bildung“ die Verbindung zwischen „Glied und Lebensganzheit“ fördern. Was genau in den sieben Jahren unter nationalsozialistischer Führung in der Musikschule der Stadt Wien geschehen ist, etwa welche personellen und materiellen Konsequenzen damit verbunden waren, welche pädagogische Methoden, welche ideologische Maximen und welche musikalische und künstlerische Ästhetiken propagiert wurden, d. h. wie gravierend sich das Musikleben in Wien durch die Neugründung einer solchen Musikschule veränderte, damit befasst sich die zum Gedenkbuch-Online erschienene, bereits oben erwähnte Publikation von Zapke, Rathkolb et al.
Ein langzeit angelegtes Forschungsprojekt: Hausgeschichte-Zeitgeschichte
Die Publikation ist das Ergebnis eines kollaborativen Forschungsanliegens, das 2015 vom ehemaligen Rektor der MUK Prof. Dr. Franz Patay initiiert – seit 2019 unter Rektor Dr. Andreas Mailath-Pokorny fortgesetzt – und unter der Leitung von Univ.-Prof.in Dr.in Susana Zapke (MUK, Zentrum für Wissenschaft und Forschung) durchgeführt wurde.
Das online-Gedenkbuch wurde 2020 unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Susana Zapke ins Leben gerufen und mit Fördermitteln der Kulturabteilung der Stadt Wien (MA 7): Referat Wissenschafts- und Forschungsförderung realisiert.
Unter dem Forschungsschwerpunkt "Hausgeschichte-Zeitgeschichte" sind diese und weitere Projekte im Bereich der Wiener Erinnerungskultur zu entnehmen: https://muk.ac.at/zwf/forschungsprojekte/wissenschaftliche-forschungsprojekte/hausgeschichte-zeitgeschichte.html
Das Online-Gedenkbuch ist als interaktive Seite konzipiert und wird durch die laufenden Forschungsergebnisse stets ergänzt. Anmerkungen, Korrekturen oder zusätzliche Informationen sind herzlich willkommen. Verwenden Sie bitte die dafür vorgesehene Kontakt-Seite oder die E-Mail-Adresse gedenkbuch@muk.ac.at.
Danksagung
Der Kulturabteilung der Stadt Wien (MA 7): Referat Wissenschafts- und Forschungsförderung, sind wir für ihre großzügige Unterstützung einen aufrichtigen Dank schuldig.
Univ.-Prof.in Mag.in Dr.in Susana Zapke und Univ.-Prof. Mag. DDr. Oliver Rathkolb
Wien, Oktober 2021